litbaza книги онлайнКлассикаЖитейские воззрения кота Мурра / Lebens-Ansichten des Katers Murr - Эрнст Теодор Амадей Гофман

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gar keine Ursache, auch nur das mindeste von dem zu verschweigen, was sich mit ihm und dem Mönch Cyprianus begeben. Er erzählte daher umständlich alles, von der freimütigen Strafpredigt an, die er dem einbildischen Mönch gehalten, als er die heilige Tonkunst herabgewürdigt, bis auf den schrecklichen Zustand, in den er verfallen, als er das Wort:»Gift!«ausgesprochen. Dann erklärte Kreisler, daß er eigentlich doch noch immer nicht wisse, warum das Bild, habe sich auch Prinz Hektor davor entsetzt, gleiche Wirkung auf den Mönch Cyprianus hervorgebracht. Ebenso sei er darüber noch ganz im Dunkeln geblieben, auf welche Weise Meister Abraham in jene grauenvolle Begebenheiten verflochten.

«In der Tat, mein lieber Sohn Johannes«, sprach der Abt anmutig lächelnd,»wir stehen jetzt ganz anders gegenüber, als noch vor wenigen Stunden. Ein standhaftes Gemüt, ein fester Sinn, vorzüglich aber wohl ein tiefes richtiges Gefühl, das wie eine wunderbar wahrsagende Erkenntnis in unserer Brust verborgen, richtet vereint mehr aus, als der schärfste Verstand, der geübteste alles scheidende Blick. Du hast es bewiesen, mein Johannes, indem Du die Waffe, die man Dir in die Hand gab, ohne Dich ganz über ihre Wirkung zu belehren, so geschickt in dem richtigen Moment zu gebrauchen wußtest, daß Du auf der Stelle den Feind zu Boden schlugst, den vielleicht der durchdachteste Plan nicht so leicht aus dem Felde getrieben haben würde. Ohne es zu wissen, hast Du mir, dem Kloster, vielleicht auch der Kirche überhaupt, einen Dienst erwiesen, dessen ersprießliche Folgen nicht zu übersehen sind. Ich will, ich darf jetzt gegen Dich ganz aufrichtig sein, ich wende mich ab von denen, die mir Falsches vorspiegeln wollten zu Deinem Nachteil, Du kannst auf mich rechnen, Johannes! – Daß der schönste Wunsch, der in Deiner Brust ruht, erfüllt werde, dafür laß mich sorgen! Deine Cäcilia, Du weißt, welches holde Wesen ich meine – doch still jetzt davon! – Das was Du noch von jener entsetzlichen Begebenheit in Neapel zu wissen verlangst, ist mit wenigen Worten gesagt. – Fürs erste hat es unserm würdigen Bruder Cyprianus beliebt, in seiner Erzählung einen kleinen Umstand zu übergehen. – Angela starb an dem Gift, das er ihr beigebracht in dem höllischen Wahnsinn der Eifersucht. – Meister Abraham befand sich damals in Neapel unter dem Namen Severino. Er glaubte Spuren seiner verlornen Chiara zu finden, und fand sie wirklich, da ihm jene alte Zigeunerin in den Weg kam, Magdala Sigrun geheißen, die Du schon kennst. An den Meister wandte sich die Alte, als das Schrecklichste geschehen, und ihm vertraute sie, ehe sie Neapel verließ jenes Bildnis, dessen Geheimnisse Du noch nicht kennst. Drücke den stählernen Knopf an dem Rande, dann springt Antonio's Bildnis, das nur an einer Kapsel zum Deckel dient auf, und Du erblickst nicht allein Angela's Bildnis, sondern Dir fallen auch noch ein paar Blättchen in die Hände, die von der äußersten Wichtigkeit sind, da sie Dir den Beweis des doppelten Mordes liefern. – Du siehst nun, warum Dein Talisman so kraftvoll wirkt. – Meister Abraham soll noch mit dem Bruderpaar in mancherlei Berührung gekommen sein, doch davon wird er Dir selbst noch besser erzählen können als ich. – Laß uns jetzt hören, Johannes, wie es mit dem kranken Bruder Cyprianus steht.«—

«Und das Mirakel?«So fragte Kreisler, indem er den Blick auf die Stelle der Wand über dem kleinen Altar warf, wo er selbst mit dem Abt das Bild, dessen sich der geneigte Leser wohl noch erinnert, befestigt hatte. Nicht wenig verwunderte er sich aber, als er statt dieses Bildes wieder Leonardo da Vinci's heilige Familie erblickte, die ihren alten Platz eingenommen. -»Und das Mirakel?«– fragte Kreisler zum zweiten Mal.»Ihr meint das schöne Bild«, erwiderte der Abt mit seltsamem Blick,»welches sonst hier aufgehängt war? – Ich habe es unterdessen in dem Krankensaal aufstellen lassen. Vielleicht stärkt der Anblick unsern armen Bruder Cyprianus, vielleicht hilft ihm die Hochgebenedeite zum zweiten Mal.«—

Kreisler fand auf seinem Zimmer ein Schreiben des Meisters Abraham, des Inhalts:

«Mein Johannes!

Auf! auf! – verlaßt die Abtei, eilt her so schnell Ihr könnt! – Der Teufel hat hier zu seiner Lust eine ganz besondere Hetzjagd angestellt! – Mündlich mehr, das Schreiben wird mir blutsauer, denn es steckt mir alles im Halse und droht mich zu ersticken. Von mir, von dem Hoffnungsstern, der mir aufgegangen, nicht ein Wort! Nur so viel in aller Eil. – Die Rätin Benzon findet Ihr nicht mehr, wohl aber die Reichsgräfin von Eschenau. Das Diplom aus Wien ist angekommen und die künftige Heirat Julias mit dem würdigen Prinzen Ignaz so gut wie erklärt. Fürst Irenäus beschäftigt sich mit der Idee des neuen Throns, auf dem er sitzen wird als regierender Herr. Die Benzon, oder vielmehr die Gräfin von Eschenau hat ihm das versprochen. Prinz Hektor hat indessen Versteckens gespielt, bis er nun wirklich fort mußte zur Armee. – Bald kehrt er wieder und dann soll eine Doppelhochzeit gefeiert werden. – Es wird lustig sein. Die Trompeter spülen sich schon die Gurgeln aus, die Fiedler schmieren die Bogen, die Lichtzieher in Sieghartsweiler gießen die Fackeln – aber? – Nächstens ist der Namenstag der Fürstin, da unternehm ich Großes aber Ihr müßt hier sein. Kommt nur lieber gleich auf der Stelle, wenn Ihr dies gelesen habt! Lauft was Ihr könnt! Bald seh' ich Euch. – Apropos! Nehmt Euch vor den Pfaffen in acht, aber den Abt lieb' ich sehr. – Adieu!

So kurz und so inhaltsreich war dies Brieflein des alten Meisters, daß —

Nachschrift des Herausgebers E. T. A. Hoffmann

Am Schluß des zweiten Bandes ist der Herausgeber genötigt, den geneigten Lesern eine sehr betrübliche Nachricht mitzuteilen. – Den klugen, wohlunterrichteten, philosophischen dichterischen Kater Murr hat der bittre Tod dahingerafft mitten in seiner schönen Laufbahn. Er schied in der Nacht vom neunundzwanzigsten zum dreißigsten November nach kurzen, aber schweren Leiden mit der Ruhe und Fassung eines Weisen dahin. – So gibt es wieder einen Beweis, daß es mit den frühreifen Genies immer nicht recht fort will: entweder sie steigen in einem Antiklimax hinab zur charakter- und geistlosen Gleichgültigkeit und verlieren sich in der Masse, oder sie bringen es in Jahren nicht

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