litbaza книги онлайнКлассикаЖитейские воззрения кота Мурра / Lebens-Ansichten des Katers Murr - Эрнст Теодор Амадей Гофман

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Frau«, wandte sich der Leibarzt zur Fürstin,»so höchst seltsam, so höchst besorglich auch der Zustand der Prinzessin scheinen mag, so glaube ich doch mit Gewißheit versichern zu können, daß er bald aufhören wird, ohne die mindesten gefährlichen Folgen zu hinterlassen. Die Prinzessin leidet an jener ganz besondern wunderbaren Art des Starrkrampfs, die in der ärztlichen Praxis so selten vorkommt, daß mancher hochberühmte Arzt niemals in seinem Leben Gelegenheit fand, dieselbe zu beobachten. Ich muß mich daher in der Tat glücklich schätzen – «Der Leibarzt stockte —

«Ha«, sprach die Fürstin mit bitterm Ton,»daran erkenne ich den praktischen Arzt, der grenzenloses Leiden nicht achtet, wenn er nur seine Kenntnis bereichert.«

«Noch vor ganz kurzer Zeit«, fuhr der Leibarzt fort, ohne den Vorwurf der Fürstin zu beachten,»fand ich in einem wissenschaftlichen Buche das Beispiel eines Zufalls, der ganz dem gleich ist, in den die Prinzessin verfallen. Eine Dame (so erzählt mein Autor) kam von Vesoul nach Besançon um einen Rechtshandel zu betreiben. Die Wichtigkeit der Sache, der Gedanke, daß der Verlust des Prozesses die letzte, höchste Stufe der empfindlichsten Widerwärtigkeiten, die sie erduldet, sei, und sie in Not und Elend stürzen mußte, erfüllte sie mit der lebhaftesten Unruhe, die bis zu einer Exaltation ihres ganzen Gemüts stieg. Sie brachte die Nächte schlaflos zu, aß wenig, man sah sie in der Kirche auf ungewöhnliche Weise niederfallen und beten, genug, auf verschiedene Art tat sich der abnorme Zustand kund. Endlich aber an demselben Tage, da ihr Prozeß entschieden werden sollte, traf sie ein Zufall, den die anwesenden Personen für einen Schlagfluß hielten. Die herbeigerufenen Ärzte fanden die Dame in einem Lehnstuhle unbeweglich mit gen Himmel gerichteten, funkelnden Augen, offenen und unbeweglichen Augenlidern, mit erhobenen Armen und gefalteten Händen. Ihr vorher trauriges, bleiches Gesicht war blühender, heiterer, angenehmer als sonst, ihr Atemzug ungehindert und gleich, der Puls weich, langsam, ziemlich voll, beinahe wie bei einer ruhig schlafenden Person. Ihre Glieder waren biegsam, leicht, und ließen ohne den geringsten Widerstand sich in alle Stellungen bringen. Aber darin äußerte sich die Krankheit und die Unmöglichkeit irgendeiner Täuschung, daß die Glieder von selbst nicht aus der Stellung kamen, in die sie versetzt worden. Man drückte ihr Kinn abwärts – der Mund öffnete sich und blieb offen. Man hob einen Arm, nachher den andern auf, sie fielen nicht abwärts, man bog sie ihr nach dem Rücken hin, streckte sie hoch in die Höhe, so daß es jedem unmöglich gewesen sein würde, sich lange in dieser Stellung zu behaupten, und doch geschah es. Man mochte den Körper so sehr herabbeugen, als man wollte, immer blieb er in dem vollkommensten Gleichgewicht. Sie schien gänzlich ohne Empfindung, man rüttelte, kneipte, quälte sie, stellte ihr die Füße auf ein heißes Kohlenbecken, schrie ihr in die Ohren, sie werde ihren Prozeß gewinnen, alles umsonst, sie gab kein Zeichen des willkürlichen Lebens von sich. Nach und nach kam sie zu sich selbst, doch führte sie unzusammenhängende Reden. – Endlich – «

«Fahren Sie fort«, sprach die Fürstin, als der Leibarzt innehielt,»fahren Sie fort, verschweigen Sie mir nichts und sei es das Entsetzlichste! – Nicht wahr? – in Wahnsinn verfiel die Dame!«

«Es genügt«, sprach der Leibarzt weiter,»hinzuzufügen, daß ein sehr böser Zustand der Dame nur vier Tage hindurch anhielt, daß sie in Vesoul, wohin sie zurückkehrte, völlig genas und nicht die mindesten schlimmen Folgen ihrer harten ungewöhnlichen Krankheit verspürte.«—

Während die Fürstin aufs neue in trübes Nachdenken versank, verbreitete sich der Leibarzt weitläufig über die ärztlichen Mittel, die er anzuwenden gedenke, um der Prinzessin zu helfen und verlor sich zuletzt in solche wissenschaftlichen Demonstrationen, als spräche er in einer ärztlichen Beratung zu den tief gelehrtesten Doktoren.

«Was«, unterbrach endlich die Fürstin den wortreichen Leibarzt,»was helfen alle Mittel, die die spekulierende Wissenschaft darbietet, wenn das Heil, das Wohl des Geistes gefährdet.«

Der Leibarzt schwieg einige Augenblicke, dann fuhr er fort:»Gnädigste Frau, das Beispiel von der wunderbaren Starrsucht jener Dame in Besançon zeigt, daß der Grund ihrer Krankheit in einer psychischen Ursache lag. Man fing, als sie zu einiger Besinnung gekommen, ihre Kur damit an, daß man ihr Mut einsprach und ihr den bösen Prozeß als gewonnen darstellte. – Einig sind auch die erfahrensten Ärzte darüber, daß eben irgendeine plötzliche starke Gemütsbewegung jenen Zustand am ersten hervorbringt. Prinzessin Hedwiga ist reizbar bis zum höchsten ungewöhnlichen Grade, ja ich möchte den Organismus ihres Nervensystems manchmal schon an und für sich selbst abnorm nennen. Gewiß scheint es, daß irgend eine heftige Erschütterung des Gemüts auch ihren Krankheitszustand erzeugte. Man muß die Ursache zu erforschen suchen, um psychisch mit Erfolg auf sie wirken zu können! – Die schnelle Abreise des Prinzen Hektor. – Nun, gnädigste Frau, die Mutter dürfte vielleicht tiefer schauen als jeder Arzt, und diesem die besten Mittel an die Hand geben können zur heilsamen Kur.«

Die Fürstin erhob sich und sprach stolz und kalt:»Selbst die Bürgerfrau bewahrt gern die Geheimnisse des weiblichen Herzens, das Fürstenhaus erschließt sein Inneres nur der Kirche und ihren Dienern, zu denen der Arzt sich nicht zählen darf.«

«Wie«, rief der Leibarzt lebhaft,»wer vermag das leibliche Wohl so scharf zu trennen von dem geistigen? Der Arzt ist der zweite Beichtvater, in die Tiefe des psychischen Seins müssen ihm Blicke vergönnt werden, wenn er nicht jeden Augenblick Gefahr laufen will zu fehlen. Denken Sie an die Geschichte jenes kranken Prinzen gnädigste Frau – «

«Genug!» unterbrach die Fürstin den Arzt beinahe mit Unwillen,»genug! – Nie werde ich mich bewegen lassen eine Unschicklichkeit zu begehen; ebensowenig als ich glauben kann, daß irgendeine Unschicklichkeit auch nur in Gedanke und Empfindung die Krankheit der Prinzessin veranlaßt haben kann.«

Damit entfernte sich die Fürstin und ließ den Leibarzt stehen.

«Wunderliche Frau«, sprach dieser zu sich selbst,»diese Fürstin! Gern möchte sie andere ja sich selbst überreden, daß der Kitt, womit die Natur Seele und Körper zusammenleimt, wenn es darauf ankommt etwas Fürstliches zu bilden, von ganz besonderer Art sei, und keineswegs dem zu vergleichen, den sie bei uns armen Erdensöhnen bürgerlicher Abkunft verbraucht. – Man soll gar nicht daran denken, daß die Prinzessin ein Herz hat, so

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