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Nicht wenig erstaunte der Meister, die Benzon von Selbstmord sprechen zu hören, hier, wo ein ganz anderer Verdacht sich zu regen schien, ehe er indessen antworten konnte, fuhr die Rätin fort:»Wohl uns, wohl uns, daß er fort ist, der Unglückliche, der überall, wo er sich blicken läßt, nur verstörendes Unheil anrichtet! Sein leidenschaftliches Wesen, seine Verbitterung, nicht anders kann ich seinen hochgepriesenen Humor bezeichnen, steckt jedes reizbare Gemüt an, mit dem er dann sein grausames Spiel treibt. Zeugt die höhnende Verachtung aller konventionellen Verhältnisse, ja der Trotz gegen alle üblichen Formen von Übergewicht des Verstandes, so müssen wir alle unsere Knie beugen vor diesem Kapellmeister, doch soll er uns in Ruhe lassen und sich nicht auflehnen gegen alles, was durch die richtige Ansicht des wirklichen Lebens bedingt, und als unsere Zufriedenheit begründend anerkannt wird. Darum! – dem Himmel sei gedankt, daß er fort ist, ich hoffe ihn nie wiederzusehen.«
«Und doch«, sprach der Meister sanft,»waren Sie sonst die Freundin meines Johannes, Frau Rätin, und doch nahmen Sie sich seiner an, in einer bösen kritischen Zeit und führten ihn selbst auf die Bahn, von der ihn nur eben jene konventionellen Verhältnisse, die Sie so eifrig in Schutz nehmen, wegverlockt hatten? – Welch ein Vorwurf trifft jetzt so plötzlich meinen guten Kreisler? – Was für Böses hat sich aus seinem Innern aufgetan? Will man ihn darum hassen, weil in den ersten Augenblicken, da der Zufall ihn in eine neue Region geworfen, das Leben feindlich auf ihn zutrat, weil das Verbrechen ihn bedrohte, weil – ein italienischer Bandit ihm nachschlich?«—
Die Rätin fuhr bei diesen Worten sichtlich zusammen.»Welch'«, sprach sie dann mit zitternder Stimme,»welch einen Gedanken der Hölle, hegt Ihr in der Brust, Meister Abraham? – Aber wäre es so, wäre Kreisler wirklich gefallen, so wurde in dem Augenblick die Braut gerächt, die er verdorben. Eine innere Stimme sagt es mir, Kreisler allein ist schuld an dem fürchterlichen Zustande der Prinzessin. Schonungslos spannte er die zarten Saiten im innern Gemüt der Kranken, bis sie zersprangen.«—»So war«, erwiderte Meister Abraham giftig,»der italienische Herr ein Mann von raschem Entschluß, der die Rache der Tat vorausschickte. Sie haben ja, Gnädige, alles angehört, was ich mit dem Fürsten gesprochen im Fischerhäuschen, Sie wissen daher auch, daß Prinzessin Hedwiga in demselben Augenblick, als der Schuß im Walde fiel, zur Leblosigkeit erstarrte.
«In der Tat», sprach die Benzon,»man möchte an all' das schimärische Zeug glauben, das uns jetzt aufgetischt wird, an psychische Korrespondenzen und dergleichen! – Doch! noch einmal, wohl uns, daß er fort ist, der Zustand der Prinzessin kann und wird sich ändern. – Das Verhängnis hat den Störer unserer Ruhe vertrieben und – sagt selbst, Meister Abraham, ist nicht unser Freund im Innersten zerrissen auf solche Weise, daß das Leben ihm keinen Frieden mehr zu geben vermag? – Gesetzt also wirklich daß – «
Die Rätin endete nicht, aber Meister Abraham fühlte den Zorn, den er mit Mühe unterdrückt, hoch aufflammen.
«Was habt Ihr alle gegen diesen Johannes«, rief er mit erhöhter Stimme,»was hat er euch Böses getan, daß Ihr ihm keine Freistatt, kein Plätzchen gönnt auf dieser Erde? – wißt Ihrs nicht? – Nun so will ich es Euch sagen. Seht, der Kreisler trägt nicht Eure Farben, er versteht nicht Eure Redensarten, der Stuhl, den Ihr ihm hinstellt, damit er Platz nehme unter Euch, ist ihm zu klein, zu enge! Ihr könnt' ihn gar nicht für euresgleichen achten, und das ärgert Euch. Er will die Ewigkeit der Verträge, die Ihr über die Gestaltung des Lebens geschlossen, nicht anerkennen, ja er meint, daß ein arger Wahn, von dem Ihr befangen, Euch gar nicht das eigentliche Leben erschauen lasse, und daß die Feierlichkeit, mit der Ihr über ein Reich zu herrschen glaubt, das Euch unerforschlich, sich gar spaßhaft ausnehme, und das alles nennt Ihr Verbitterung. Vor allen Dingen liebt er jenen Scherz, der sich aus der tiefern Anschauung des menschlichen Seins erzeugt und der die schönste Gabe der Natur zu nennen, die sie aus der reinsten Quelle ihres Wesens schöpft. Aber Ihr seid vornehme ernste Leute und wollet nicht scherzen. – Der Geist der wahren Liebe wohnt in ihm, doch vermag dieser ein Herz zu erwärmen, das auf ewig zum Tode erstarret ist, ja in welchem niemals der Funke war, den jener Geist zur Flamme aufhaucht? Ihr möget den Kreisler nicht, weil Euch das Gefühl des Übergewichts, das Ihr ihm einzuräumen gezwungen, unbehaglich ist, weil Ihr ihn, der Verkehr treibt mit höheren Dingen als die gerade in Euern engen Kreis passen, fürchtet.«—
«Meister Abraham«, sprach die Benzon mit dumpfer Stimme, der Eifer, mit dem Du für Deinen Freund sprichst, führt Dich zu weit. Du wolltest mich verletzen? – Nun wohl, es ist Dir gelungen, denn Du hast Gedanken in mir geweckt, die lange, lange schlummerten! – Todstarr nennst Du mein Herz? – Weißt Du denn, ob jemals der Geist der Liebe freundlich zu ihm gesprochen, ob ich nicht allein in konventionellen Verhältnissen des Lebens, die der überspannte Kreisler verächtlich finden mag, Trost und Ruhe fand? – Glaubst Du denn nicht überhaupt, alter Mann, der auch wohl so manches Leid erfahren, daß es ein gefährliches Spiel ist, sich über jene Verhältnisse erheben, und dem Weltgeist näher treten zu wollen in der Mystifikation des eigenen Seins? Ich weiß es, die kälteste, regungsloseste Prosa des Lebens selbst, hat mich Kreisler gescholten und es ist sein Urteil, das sich in dem Deinigen ausspricht, wenn Du mich todstarr nennst, aber habt Ihr jemals dieses Eis zu durchblicken vermocht, das meiner Brust schon längst ein schützender Harnisch war? – Mag bei den Männern die Liebe nicht das Leben schaffen, sondern es nur auf eine Spitze stellen, von der herab noch sichre Wege führen, unser höchster Lichtpunkt, der unser ganzes Sein erst schafft und gestaltet, ist der Augenblick der ersten Liebe. Will es das feindliche Geschick, daß dieser Augenblick verfehlt wurde, verfehlt ist das ganze Leben für das schwache Weib, das untergeht in trostloser Unbedeutsamkeit, während das mit stärkerer Geisteskraft begabte sich mit Gewalt emporrafft, und eben in