litbaza книги онлайнКлассикаЖитейские воззрения кота Мурра / Lebens-Ansichten des Katers Murr - Эрнст Теодор Амадей Гофман

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gelangten. – Genauigkeit, Dauerhaftigkeit, gute Spielart des Werks galt dem Alten für alles; für die Seele, für den Ton hatte er keinen Sinn, und merkwürdig genug sprach sich dies aus in den Orgeln, die er baute und denen man mit Recht, einen harten, spitzen Klang vorwarf. Nächstdem war der Alte den kindischen Künsteleien verjährter Zeit ganz und gar ergeben. So hatte er an einer Orgel die Könige David und Salomo angebracht, die während des Spiels wie vor Verwunderung die Köpfe drehten; so fehlte es keinem seiner Werke an paukenden, posaunenden, taktierenden Engeln, mit den Flügeln schlagenden, krähenden Hähnen u. s. w. Abraham konnte oft verdienten oder nicht verdienten Schlägen nicht anders entgehen und dem Alten eine Äußerung väterlicher Freude entlocken, als wenn er vermöge eigner Erfindungsgabe irgendeine neue Künstelei, etwa ein schärfer tönendes Kikeriki, herausgebracht für den nächsten Orgelhahn. Mit angstvoller Sehnsucht hatte Abraham die Zeit herbeigewünscht, in der er dem Handwerks-Gebrauch gemäß auf die Wanderschaft gehen sollte. Endlich kam diese Zeit heran und Abraham verließ das väterliche Haus, um nie wieder zurückzukehren.

Auf dieser Wanderung, die er in Gemeinschaft mit andern Gesellen, meistens wüsten, rohen Burschen, unternahm, sprach er einst ein in der Abtei St. Blasius, die im Schwarzwalde belegen und hörte dort das berühmte Orgelwerk des alten Johannes Andreas Silbermann. In den vollen, herrlichen Tönen dieses Werks ging zum erstenmal der Zauber des Wohllauts auf in seinem Innern, er fühlte sich in eine andere Welt versetzt, und von dem Augenblick an war er ganz Liebe für eine Kunst, die er sonst mit Widerwillen treiben müssen. – Nun kam ihm aber auch sein ganzes Leben in der Umgebung, wie er es bis jetzt geführt hatte, so nichtswürdig vor, daß er alle Kraft aufbot sich herauszureißen aus dem Schlamm, in den er sich versunken glaubte. – Sein natürlicher Verstand, seine Fassungsgabe ließen ihn in der wissenschaftlichen Bildung Riesenschritte machen und doch – fühlte er oft die Bleigewichte, die die frühere Erziehung, das Forttreiben in der Gemeinheit ihm angehängt. – Chiara, die Verbindung mit diesem seltsamen, geheimnisvollen Wesen, das war der zweite Lichtpunkt in seinem Leben, und so bildete beides, jenes Erwachen des Wohllauts und Chiaras Liebe einen Dualismus seines poetischen Seins, der wohltätig hineinwirkte in seine rohe aber kräftige Natur. – Kaum den Herbergen, kaum den Schenken, wo im dicken Tabaksqualm Zotenlieder ertönten, entronnen, brachte der Zufall oder vielmehr die Geschicklichkeit in mechanischen Künsteleien, denen er den Anstrich des Geheimnisses zu geben wußte (wie der geneigte Leser schon erfahren) den jungen Abraham in Umgebungen, die ihm eine neue Welt sein mußten, und in denen er, ewig Fremdling bleibend, sich nur dadurch aufrecht erhielt, daß er den festen Ton behauptete, den seine innere Natur ihm angegeben. Dieser feste Ton wurde mit der Zeit immer fester, und da er keinesweges der eines simplen Grobians, sondern auf klaren, gesunden Menschenverstand, richtiger Lebensansicht, und daraus sich erzeugendem treffenden Spott basiert war, so konnt es nicht fehlen, daß da, wo der Jüngling sich nur aufrecht erhalten und toleriert worden, der Mann als ein zu fürchtendes Prinzip großen Respekt einflößte. Es ist nichts leichter, als gewissen vornehmen Leuten zu imponieren, die immer noch weiter unter dem stehen, wofür man sie etwa halten möchte. Daran dachte nun Meister Abraham eben in dem Augenblick, als er von seinem Spaziergange wieder an das Fischerhäuschen gekommen, und schlug eine laute, herzliche Lache auf, die Luft machte seiner gepreßten Brust.

Zur innigsten Wehmut, die ihm sonst wohl gar nicht eigen, hatte den Meister nämlich das lebhafte Andenken an den Moment in der Kirche der Abtei St. Blasius gestimmt.»Warum blutet eben die Wunde jetzt so häufig, die ich längst verharscht glaubte«, sprach er zu sich selbst,»warum hänge ich jetzt leeren Träumereien nach, da es mir scheint, als müsse ich tätig eingreifen in das Maschinenwerk, das ein böser Geist falsch zu treiben scheint!«– Der Meister fühlte sich beängstigt durch den Gedanken, daß er, selbst wußte er nicht wodurch, in seinem eigentümlichsten Tun und Treiben sich gefährdet sah, bis, wie gesagt, er im Ideengange auf die vornehmen Leute kam, über die er lachte und augenblicklich merkliche Linderung verspürte.

Er trat ins Fischerhäuschen, um nun Kreislers Brief zu lesen. —

In dem fürstlichen Schlosse hatte sich Merkwürdiges begeben. Der Leibarzt sprach:»Wunderbar! – es geht über alle Praxis, über alle Erfahrung hinaus!«– Die Fürstin:»So mußte es kommen, und die Prinzessin ist nicht kompromittiert!«– der Fürst:»Hätt' ichs nicht ausdrücklich verboten, aber die Crapule der dienenden Esel hat keine Ohren. – Nun – der Oberforstmeister soll dafür sorgen, daß der Prinz kein Pulver mehr in die Hände bekommt!«die Rätin Benzon:»Dank dem Himmel, sie ist gerettet!«– Während dessen schaute Prinzessin Hedwiga zum Fenster ihres Schlafgemachs hinaus, indem sie dann und wann abgebrochene Akkorde anschlug auf derselben Guitarre, die Kreisler im Unmute von sich warf und aus Julias Händen, wie er meinte geheiligt, zurück empfing. Auf dem Sofa saß Prinz Ignatius und weinte und klagte: es tut weh,»Es tut weh«– vor ihm aber Julia, die emsig beschäftigt war, in eine kleine, silberne Schüssel hinein – rohe Kartoffeln zu schaben.

Alles dieses bezog sich auf ein Ereignis, das der Leibarzt mit vollem Recht wunderbar nannte und über alle Praxis erhaben. Prinz Ignatius hatte sich, wie der geneigte Leser schon mehrmals erfahren, den unschuldig tändelnden Sinn, die glückliche Unbefangenheit des sechsjährigen Knaben erhalten und spielte daher gern wie dieser. Unter anderm Spielzeug besaß er auch eine kleine, aus Metall gegossene Kanone, die ihm zu seinem Lieblings-Spiel diente, an dem er sich jedoch höchst selten ergötzen konnte, da manche Dinge dazu gehörten, die nicht gleich zur Hand waren, nämlich einige Körner Pulver, ein tüchtiges Schrotkorn und ein kleiner Vogel. Hatte er das alles, so ließ er seine Truppen aufmarschieren, hielt Kriegsgericht über den kleinen Vogel, der eine Rebellion angezettelt in des fürstlichen Papas verlornem Lande, lud die Kanone, und schoß den Vogel, den er mit einem schwarzen Herzen auf der Brust an einen Leuchter gebunden, tot, zuweilen aber auch nicht, so daß er mit dem Federmesser nachhelfen mußte, um die gerechte Strafe an dem Hochverräter zu vollstrecken.

Fritz, des Gärtners zehnjähriger Knabe, hatte dem Prinzen einen

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